Call for Papers – VII. Forum Kunst des Mittelalters
Licht: Kunst, Metaphysik und Naturwissenschaft im Mittelalter
Jena, 25. bis 28. September 2024
Die Deadline ist beendet. (Die Ergebnisse werden 2024 publiziert)
Organisation: Deutscher Verein für Kunstwissenschaft e.V. gemeinsam mit dem dem Seminar für Kunstgeschichte und Filmwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena (Juliane von Fircks / Svea Janzen)
In zahlreichen Schöpfungsmythen steht das Licht am Anfang des Kosmos. Licht, Schönheit und das Gute gehörten im Mittelalter untrennbar zusammen. Dunkelheit, Hässlichkeit und das Böse bildeten den Gegenpol dazu. Der Grad der Vollkommenheit von Natur, Menschen und Dingen ließ sich an ihrer Schönheit bemessen, die wesentlich durch Helligkeit, Glanz und Leuchtkraft bestimmt war. Diese Vorstellung galt für Byzanz ebenso wie für den christlichen Westen, das Judentum und den Islam. Ihre Erfahrbarmachung und Vermittlung bildeten im Mittelalter eine grundlegende Leistung nicht nur der sakralen Kunst, sondern prägte auch die weltlich-höfische Kultur. Unter dem Themenschwerpunkt Licht widmet sich das 7. Forum Kunst des Mittelalters (Jena, 25.-28. September 2024) den facettenreichen Zusammenhängen zwischen Kunst, Metaphysik und Naturwissenschaft im Mittelalter.
Indem die Künstler die auf das Licht bezogenen Eigenschaften der Materialien – Transparenz und Reflektionsfähigkeit – zur Geltung brachten, verliehen sie dem Kunstwerk eine ästhetische Qualität, die über das Schöne hinaus auf das Göttliche als den Ursprung aller Dinge verwies. Fragen nach dem Verhältnis von leuchtendem bzw. das Licht reflektierendem Material (Gold, Silber, Edelsteine, Alabaster, Bronze, Elfenbein, Seide) und funktionsbestimmter Formgebung sowie nach dem Zusammenhang von Material, Licht und Aura sind im Mittelalter von kultur- und gattungsübergreifender Tragweite. Standen Objekte aus Bergkristall zwischen Ost und West zuletzt mehrfach im Fokus von Ausstellungen und wissenschaftlichen Untersuchungen, so eröffnet auch das Glas als durchscheinendes Material par excellence Fragestellungen zwischen den Kulturen, die von der Bedeutung des Materials als Edelsteinersatz über die Bandbreite allegorischer Ausdeutung, bis hin zur Funktion bei der Sichtbarmachung des Heiligen reichen.
In der Architektur kann das Thema der künstlerischen Arbeit mit dem Licht ebenso anhand von Kathedrale, Burg und Palast durchgespielt werden wie im Hinblick auf Moschee, Madrasa oder Synagoge. Als Gegenstand der Untersuchung bieten sich unter anderem das Verhältnis von Licht und gebautem Raum, die Rolle des Lichts in der Gestaltung von Fassaden, Mauerdurchbrüchen und Fenstern oder auch die Funktion von dunklen, fensterlosen Räumen bei der Inszenierung des Heiligen an.
Kaum untersucht sind bislang lichtspendende Objekte wie Kerzen, Leuchter und Lampen jedweder Art, die dazu dienten, bedeutungsvolle Orte zu markieren oder herausgehobene Personen und rituelle Handlungen zu inszenieren. Fragen nach Beleuchtung und Lichtregie bei Messen, Krönungen oder Begräbnissen ebenso wie nach Lichtern in Bewegung etwa bei Prozessionen und festlichen Einzügen könnten dazu beitragen, das performative Potential des Lichts im Mittelalter präziser zu erfassen.
In Enzyklopädien, Diagrammen und Kalendern hat sich die westliche Kunst des Mittelalters auf vielfältige Weise mit dem Zusammenhang von Licht, Kosmos und Mensch auseinandergesetzt. Ab dem 13. Jahrhundert prägen die rationale Ergründung von Licht und die aus der arabischen Welt importierten optischen Kenntnisse zunehmend die mittelalterliche Kunst, und vertiefte Kenntnisse des menschlichen Sehens beeinflussen Perspektive und Lichtdarstellung in der Kunst des ausgehenden Mittelalters.
Maler und Bildhauer widmen sich nun der Erkundung und Darstellung von Lichtphänomenen. Es bleibt spannend zu untersuchen, wie Malerei und Skulptur verändert auf die Lichtverhältnisse an ihrem Aufstellungsort reagieren, wie sich die theologische und die ästhetische Aussagekraft von Goldgrund bzw. Vergoldung verbinden und wie die malerische Darstellung von Licht zwischen Gottesmetapher und profanem Oberflächenglanz oszilliert.
Das Thema Licht und Naturwissenschaft schlägt schließlich auch eine Brücke zu den strahlenbasierten, technologischen Untersuchungsmethoden der Gegenwart wie Röntgenfluoroskopie, UV oder Infrarotreflektographie, die den Entstehungsprozess eines Kunstwerks sichtbar werden lassen.
Weitere und anders gelagerte grenzüberschreitende Fragestellungen zum Licht sind selbstverständlich willkommen. Wir möchten hiermit auch jüngere Forscher/-innen in der Qualifikationsphase ausdrücklich ermutigen, sich um die Leitung einer Sektion zu bewerben.
Willkommen sind nun Papers (bevorzugt in Deutsch oder Englisch) zu den einzelnen Sektionen. Die Vorträge umfassen in der Regel 20–30 Minuten. PRO VORTRAG IST JEWEILS EINE PERSON VORGESEHEN.
Bitte bewerben Sie sich bis zum 15. November 2023 mit einem Abstract (max. 200 Wörter zzgl. Kontaktdaten) auf eine der Sektionen. Die Ergebnisse der Auswahl und das Programm werden voraussichtlich im 2. Quartal 2024 unter www.dvfk-berlin.de und in den einschlägigen Portalen publiziert.
Sektionen
Sektionsleitung: Christian Freigang (Berlin) und Daniela Mondini (Mendrisio/CH)
Sektion 1.1: Licht und Zeit. Erzählen in Licht und Dunkelheit
Sektionsleitung: Christian Freigang (Berlin)
Der tägliche Wechsel von Licht und Dunkelheit, zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, rhythmisierte die weltliche wie die geistliche Zeit im Mittelalter: Das Öffnen und Schließen von Stadttoren entsprach insoweit der liturgischen Tageseinteilung, die bis zum Ende des Mittelalters auf der temporalen, nicht der modernen äquinoktialen Stundeneinteilung beruhte. Dunkelheit und anbrechendes Licht waren insofern eng mit weltlichen und geistlichen Ritualen und ihrer künstlerischen Ausstattung verbunden. Der Sonnenlauf enthielt überdies heilsgeschichtliche Dimensionen, insofern die Erlösung und ‚Erleuchtung‘ als aus dem Osten kommend angenommen und entsprechend dort das Paradies verortet wurde, während im Westen, beim Sonnenuntergang, die mythische Gegend des Weltgerichts vermutet wurde. Derartig wechselnde Lichtdispositionen haben bestimmte räumliche und bildliche Gestaltungen beeinflusst. So zeigen etwa die tageszeitlich unterschiedlich durch das Sonnenlicht erhellten Glasmalereien in einigen Fällen eine markante Ost-West-Kontrastierung, wenn bei aufgehender Sonne christologische Szenen erstrahlen, während am Abend das Weltgericht im Westen im Licht dominiert (Sainte-Chapelle in Paris). Auch doppelseitige Bildwerke im Rauminneren, wie etwa Triumphkreuzgruppen, erhalten tageszeitlich markant wechselnde Lichtwirkungen. Bekannt sind auch die auf wechselnde Lichteinfälle berechneten Altäre Riemenschneiders in Creglingen und Rothenburg. In einigen Gebetshandschriften, wie den Très Riches Heures des Duc de Berry, erscheinen bestimmte Szenen in tiefer Dunkelheit, weil dies sowohl der dargestellten Szene wie der illustrierten Gebetszeit entspricht (nächtliche Gethsemane-Miniatur zur Matutin). Aber auch im Bereich von profanen Bildzyklen kann das Umschlagen von Dunkelheit in Licht narratologisch aktiviert werden, wenn etwa im Wiener Livre d’amour epris erst ein – virtuos bildlich geschilderter – Sonnenaufgang den Protagonisten erlaubt, durch die Lektüre einer Inschrift vorangegangenes nächtliches Unheil zu erklären.
Erwünscht sind Beiträge einerseits zu räumlichen Dispositionen, die verschiedene Lichtwirkungen des Sonnenverlaufs bedeutungsvoll aktivieren, andererseits zu bildlichen Repräsentationen dieses Themas etwa in narratologischer Hinsicht. Dabei soll die sinnstiftende Bewusstmachung des Verhältnisses von Licht bzw. Dunkelheit und Tageszeit etwa in Bezug auf religiöse, liturgische oder literarische Zeitlichkeit im Vordergrund stehen. Dieser erste Teil der Doppelsektion thematisiert das Thema in aspektereicher Vielfalt, während der zweite Teil (Licht und Zeit II) auf die Bedeutung des Abendlichtes im Kirchenraum fokussieren soll.
Sektion 1.2: Licht und Zeit. „Abendlicht” in mittelalterlichen Kirchen: Theologische, rituelle und praktische Zusammenhänge
Daniela Mondini, Mendrisio (CH)
Die Erforschung der Symbolik und des Gebrauchs von Licht in der christlichen Tradition konzentrierte sich bislang auf die morgendlichen und nächtlichen liturgischen Gottesdienste. So sind im Zusammenhang mit der Vesper sowohl der Begriff als auch die Wahrnehmung des „Abendlichts” in mittelalterlichen Kirchen noch weitgehend unerforscht. Im ältesten erhaltenen christlichen Hymnus – dem Phos Hilaron aus dem dritten Jahrhundert, den die katholische und byzantinische liturgische Tradition zu einem zentralen Bestandteil ihres Abendritus machte – verweist die Formel „Licht des Abends” und die sie begleitende Handlung, namentlich das Anzünden von Kerzen, auf die jüdische Tradition. Das „Abendlicht”, das Zacharias als Symbol für den Tag des Herrn nennt (Zacharias 14,7), wurde im alten Israel durch das Anzünden von Kerzen im Tempel begrüßt (Exodus 30,8).
So wird die Vesper zum bevorzugten Kontext für die Untersuchung, wie die christlichen liturgischen Traditionen jüdische Vorbilder integrierten, angefangen bei der Konzeption und Verwendung des abendlichen Lichtes. Darüber hinaus ermöglichte die Ost-West-Ausrichtung vieler mittelalterlicher Kirchen der untergehenden Sonne ihre Strahlen über die gesamte Länge des Kirchenschiffs zu werfen. Diese Sonnenstrahlen, die aus der dem Morgenlicht entgegengesetzten Richtung in die Kirche eindrangen und eine ausgeprägte, weiche und goldene Qualität besaßen, brachten durch die Interaktion mit der Materialität, der Textur und der Farbe (vgl. den Purkinje-Effekt) von Oberflächen bestimmte Elemente im Inneren des Raumes zur Geltung. Es lohnt sich also zu untersuchen, wie Kirchenräume in der Dämmerung im Spiel der weichen Kontraste erscheinen und wie das Licht von Lampen und Kerzen zu dieser Zeit genutzt wurde, um die Aufmerksamkeit zu fokussieren und den geweihten Charakter bestimmter Bereiche, Gegenstände oder Personen in den Räumen herauszuheben. Indem wir das „Abendlicht” als Konzept und Phänomen in mittelalterlichen Kirchen anerkennen, eröffnen wir die Diskussion über das sich im Laufe des täglichen liturgischen Zyklus verändernde Erscheinungsbild von Kirchenräumen und laden dazu ein, darüber zu reflektieren, wie sich die Gottesdienste am Morgen, am Abend und in der Nacht aus einer phänomenologischen Perspektive gegenseitig ergänzten. Beiträge, die sich mit diesen oder anderen Implikationen des Begriffs und der Verwendung des „Abendlichts” in mittelalterlichen Kirchen beschäftigen, sind willkommen.
Sektionsleitung: Kristin Böse (Frankfurt am Main)
Die Fassade frühmittelalterlicher Sakralbaukomplexe wurde offensichtlich als eine sensible und zu sichernde Kontaktzone zwischen innen und außen, Dies- und Jenseits begriffen. Formen und bauplastische Auszeichnung der Fensteröffnungen wie am Hatto-Fenster (Dommuseum Mainz), Inschriften, aber auch ornamentierte Fenstergitter zeugen davon, dass man mit dem einfallenden natürlichen Licht im Innenraum spielte und zugleich nach außen hin durch die Regulierung von Zugänglichkeit Sakralität aufzuzeigen suchte. Aber auch die malerische Ausgestaltung frühmittelalterlicher Architekturen wie etwa in Lorsch macht das Verhältnis zum Außenraum zum Thema.
Die Sektion möchte zu Beiträgen einladen, die ausgehend von gebauten und gemalten Fassadenöffnungen der Semantik des Lichts in der frühmittelalterlichen Kunst und Architektur nachgehen. Inwiefern wird der sakrale Raum durch Lichtöffnungen und sich verändernde Lichtverhältnisse ausgezeichnet, strukturiert, verwandelt? Wie verstärken oder strukturieren gemalte Öffnungen und bauplastisch gestaltete Fenster das liturgische Erleben oder umgekehrt: wie geben rituelle Abläufe semantische Orientierungspunkte? Welche Rolle spielen transkulturelle Prozesse, man denke etwa an die ornamentierten Fenstergitter sowohl in den muslimisch als auch christlich dominierten Gebieten der Iberischen Halbinsel? Zu diskutieren wäre schließlich auch, inwiefern aus den wandmalerischen Relikten, aber auch mobilen Artefakten, die auf den Ritus Bezug nehmen (Objekte der Goldschmiedekunst, illuminierte Handschriften), sich Erkenntnisse für jene, die Zeiten und Räume verschränkende, modulare Rolle des Lichtes in der frühmittelalterlichen Kunst ableiten lassen.
Zur Doppelsektion:
Sektionsleitung: CVMA Arbeitsstellen Freiburg und Potsdam; Lisa Horstmann (Mainz / Darmstadt)
Glasmalerei ist aufgrund ihrer besonderen materiellen Eigenschaften mit dem Thema Licht verbunden wie kaum eine andere Gattung. Denn genau genommen handelt es sich bei der mittelalterlichen Glasmalerei nicht nur um Malerei auf Glas, sondern auch um Malerei mit Licht. Das durch die Fenster einfallende Tageslicht bringt die Bilder zum Leuchten und erzeugt im Raum ein Farbenspiel, das von zeitloser Faszination ist.
Die Leistungen auf dem Gebiet der mittelalterlichen Baukunst entsprangen auch dem Wunsch, die besondere Materialität des Glases und die visuellen Qualitäten farbiger Fensterverschlüsse zu nutzen. Aber auch die Theologen nahmen die Betrachtung der Glasmalereien vielfach zum Anlass, um in ihren Schriften die allegorische und anagogische Bedeutung von Licht, Glas und Farbe herauszuarbeiten. Die Forschungen hierzu sind zahlreich und haben die Sichtweisen der Kunstgeschichte auf die Gattung entscheidend geprägt, wie die Debatte über die Rolle der Lichtmetaphysik bei der Entstehung der gotischen Kathedrale beispielhaft zeigt. Es erscheint vielversprechend, das Spannungsverhältnis zwischen theologisch-programmatischen Aussagen und visuellem Befund weiter zu diskutieren.
Wir wollen in der vorgeschlagenen Doppelsektion Tiefenbohrungen in zwei verschiedene Richtungen unternehmen. Schwerpunkt der ersten Sektion soll das Licht im sakralen Raum in einer sowohl kulturell und zeitlich vergleichenden als auch auf den konkreten Bau bezogenen Perspektive sein. Die zweite Sektion möchte sich der spezifischen Materialität des farbigen Glases als eines Gegenstands der mittelalterlichen (Bild-)Theologie widmen und nach ihrer Umsetzung im Bildwerk fragen.
Sektion 3.1: Licht im Raum – Raum im Licht
Sektionsleitung: Maria Deiters (Potsdam), Daniel Parello (Freiburg)
Farbige Fensterverschlüsse verbindet man vor allem mit der Epoche der gotischen Kathedralen, die zum Inbegriff einer mittelalterlichen Lichtarchitektur wurden. Die jüngere Forschung hat jedoch die Vorstellung, dass die Ausformung der gotischen Architektur erst durch das Studium neuplatonischer Ideen angestoßen worden sei, als Wunschdenken entlarvt. Sie ist Höhepunkt eines Jahrhunderte alten Bestrebens, dem Licht in seinen vielfältigen Brechungen eine tragende Rolle im umbauten Raum zuzuweisen. Das berühmte Diktum Sugers „von dem wunderbaren und ununterbrochenen Licht der strahlenden Glasfenster“ steht zudem exemplarisch für eine Reihe mittelalterlicher Texte, die das Licht als Ausgangspunkt allegorischer Betrachtungen heranziehen, doch kaum etwas über die konkrete Wahrnehmung von Glasmalerei und deren Bildinhalten verraten. Ebenso wenig sagen sie über deren Wechselwirkung mit dem Raum, seiner Ausstattung sowie seiner liturgischen Gliederung.
Ein Anliegen dieser Sektion soll es sein, dem Einsatz des Lichts als gestalterisches Element über Epochengrenzen hinweg nachzuspüren. Dabei soll nach Wandlungen und Kontinuitäten farbiger Verglasungen vom frühen Kirchenbau bis hin zu den immer heller werdenden spätgotischen Fenstergestaltungen gefragt und ein Ausblick auf die Epoche der Renaissance und des Barock gegeben werden, die schließlich zu einem Bruch mit den überkommenen ästhetischen Vorstellungen führte. Zudem sollen mit Blick auf die Frage nach den Ursprüngen dieser Kunstform farbig gestaltete Lichtöffnungen in Sakralräumen des arabisch-islamischen Kulturraums untersucht werden.
Gewünscht sind auch Analysen von konkreten Sakralräumen und deren Verglasungen hinsichtlich Konzepten der „Lichtregie“. Wie wird die Belichtung auf liturgische Raumfunktionen abgestimmt und zur Konstitution von Raumhierarchien genutzt? In welchem Verhältnis stehen farbiges und ungebrochen einfallendes Licht, Beleuchtung und metaphysische Deutung? Gibt es eine Beziehung zwischen Lichtführung, räumlich-hierarchischer Gliederung und inhaltlicher Gestaltung von Glasmalereien?
Sektion 3.2: Glas im Licht – Licht im Glas
Sektionsleitung: Lisa Horstmann (Darmstadt), Markus Mock (Potsdam)
Zahlreiche mittelalterliche Quellen handeln von der Kostbarkeit und Zerbrechlichkeit von Glasfenstern. Sie sprechen über ihre Schönheit, Leuchtkraft und Farbigkeit, handeln aber auch von symbolischer Bedeutung und nutzen Glas und Licht gar als Allegorie. So umschreibt etwa Bernhard von Clairvaux die Inkarnation Christi wie folgt: „So wie der Glanz der Sonne das Glas[fenster] erfüllt und durchdringt, ohne es zu verletzen […], so betrat das göttliche Wort, der Glanz des Vaters, das jungfräuliche Gemach.“ Diese und weitere Schriftquellen belegen den hohen Stellenwert von Glas als kulturellem Stoff mit spezifischen wahrnehmungspsychologischen Qualitäten.
In dieser Sektion wird die Materialität des mittelalterlichen Glasfensters als zentrales Konzept für dessen Verständnis betrachtet. Es soll gefragt werden, wie die Materialität von Glas im Zusammenspiel mit Licht im Mittelalter verstanden, eingesetzt und reflektiert wurde. Dabei können in Fallstudien Bildprogramme und ihre Umsetzung in Glasfenstern in Bezug auf das Licht untersucht oder konkrete ikonographische Aspekte vorgestellt werden. Zudem erscheint es vielversprechend, nicht nur zeitgenössische Texte über Glasmalereien mit dem realen Befund zu vergleichen, sondern auch quasi selbstreferentielle Inschriften und Bilder in den Fenstern selbst zu untersuchen, die Licht und Glas behandeln. Wie werden etwa ikonographische Programme auf das Medium Glasfenster zugeschnitten? Inwieweit nimmt die Gestaltung von Bildprogrammen Bezug auf die Materialität von Glasmalerei im Unterschied etwa zu Tafel- oder Buchmalerei? Wie thematisieren Bilder oder Bildprogramme Glas und Licht? Werden Glasmalereien in die liturgische Praxis oder andere Handlungen im Kirchenraum aufgrund der metaphysischen Ausdeutung einbezogen? In welchem Wechselverhältnis steht Schrift in Glasfenstern zu deren materieller Beschaffenheit? Darüber hinaus könnte es aufschlussreich sein, einen vergleichenden Blick auf andere transluzide Materialien, wie beispielsweise Kristall oder Edelsteine, zu werfen, die im Mittelalter oftmals mit Glas gleichgesetzt wurden.
Sektionsleitung: Andrea Worm (Tübingen)
Die Sektion ist mittelalterlichem Lichtgerät im Kirchenraum gewidmet. Dabei sollen Fragen nach Materialität, Gestaltung und Bildprogrammen ebenso in den Blick gerückt werden wie heterologische Aspekte: Wer waren die an der Entstehung beteiligten Akteure (Stifter:innen und Künstler:innen), welche Funktionen erfüllten die Leuchter in Liturgie und persönlicher wie institutioneller Memoria. Gerade monumentale Leuchter zeichnen sich oftmals durch anspruchsvolle Bildprogramme und Materialität aus. So wurde etwa der romanische Leuchter, der im Prespyterium der Kathedrale von Durham stand (der größte bekannte Leuchter des Mittelalters mit einer Höhe über zehn Metern) noch kurz vor seiner Zerstörung im 17. Jahrhundert als das prächtigste und kunstvollste Artefakt der Kirche gerühmt.
Beiträge zur Sektion können sich im Sinne von Fallstudien einzelnen Artefakten zuwenden, es könnten etwa Fragen nach Materialität, nach Bildprogrammen und Allegorese gestellt werden (etwa bei den siebenarmigen Leuchtern, deren sieben Lichter schon früh mit den Flammen des Heiligen Geistes und damit dem Pfingstereignis verbunden wurden), es könnte die Position und Funktion der Leuchter behandelt werden (an Gräbern, als Osterleuchter, vor dem Kreuzaltar oder auf dem Altar). Instruktiv ist oftmals der Blick auf den nachmittelalterlichen Gebrauch solcher Artefakte; deshalb sind auch Beiträge zum Umgang mit den Leuchtern in späteren Jahrhunderten (oftmals ihre Zerstörung), zu ihrer „Wiederentdeckung” und Neuaufstellung ausdrücklich erwünscht.
Sektionsleitung: Divna Manolova (Paris)
sponsored Session Mary Jaharis Center for Byzantine Art and Culture
(Dieser Call erbittet englischsprachige Papers)
This session is organised around the themes of vision, seeing, and light as central to questions of aesthetics, science, and technology, as well as optics and philosophy in Byzantium. It addresses the treatment and employment of light (natural and artificial, present or absent, manipulated or not) within the medieval disciplinary contexts of metallurgy and alchemy, astronomy, and architecture. By analyzing the practical and symbolic use of light in all four contexts, the session enquires into the ways, in which theories of vision, light, and colour effectively informed the craft of practitioners producing precious metals and stones, drafting diagrammatic renderings of the universe, and designing both the exterior and the interior of ecclesiastical architecture.
To interrogate the disciplinary contexts of metallurgy and alchemy, the session seeks to address the intersection of the study of the natural sciences and artistic production by examining how Byzantine cloisonné enameling techniques reproduce wondrous phenomena found in nature. Byzantine alchemical texts describe enamel’s capacity to mimic autonomous light, including the glow of minerals like flourite and the bioluminescence of fish, explicitly through its process of production. In relation to cosmology and astronomy, the session aims at exploring astronomical diagrams in Byzantine manuscripts, especially those depicting the presence and/or absence of light (eclipse diagrams, diagrams of lunar phases) and at studying the possible impact of Byzantine theories of vision, light, and colour onto the diagrams design, but also onto literary texts on related topics whose employment of light metaphors equally betrays the influence of optical and physical theories. Finally, in order to study material within the remit of architecture and technology, the session seeks to examine the interrelations of Cappadocian landscape, architecture, and light, both artificial and natural. Artificial light seems to have been the privileged light form in the interiors of many churches and other rock-cut edifices, while at the same time natural light impacts the perception of their façades (sometimes decorated) depending on the time of day, vantage point, and placement within the landscape.
Sektionsleitung: Jacqueline E. Jung (Yale)
(Dieser Call erbittet sowohl deutsch- als auch englischsprachige Papers)
As an artfully shaped three-dimensional object, a work of sculpture assumes different appearances depending on where it stands within a given spatial environment and the angle(s) from which beholders apprehend it. Contours morph, volumes project or recede, and, in figural arts, the focal points of gestures and gazes seem to shift as a viewer moves through a sculpture’s space – and even more so when a sculpture is transplanted from its original site into a museum. No less powerful in shaping the appearance of a sculpture than its spatial positioning is its illumination – the play of light and shadows along its borders, its projections, its hollows. Although medieval sculptors who fashioned images in stone and wood for placement inside and on the exteriors of churches surely reckoned with the uneven and variable lighting conditions under which their works would be encountered, scholarship has been slow to address this crucial component of their creations.
This session invites considerations of how lighting affects the appearances, and thus meanings, of large-scale sculptural images in stone or wood from any period of the European Middle Ages. These may include free-standing works such as wayside crosses or other commemorative monuments; stone sculptures on portals or other exterior areas of churches, which catch the sunlight in particular ways; architectural sculptures inside buildings, which would be subject to fleeting forms of natural or artificial illumination; moveable cult statues, whose levels of visibility would change dramatically when brought out of a church for public processions; and carved altarpieces, whose illumination by lamps, candles, and windows would enhance not only the figures’ material configurations but also their surface polychromy, gilding, and other decorations.
Along with thinking about the spatial and temporal aspects of sculptures’ responsiveness to light in their medieval context, presenters might also consider the transformative role of lighting in modern forums, for example in museum galleries or photographic reproductions.
Sektionsleitung: Pierre Alain Mariaux (Neufchâtel)
Inwiefern unterliegt die Wahrnehmung des mittelalterlichen Reliquienschreins einer Ökonomie des Lichts, das metaphorisch als heilige Präsenz verstanden wird? Die Beiträge in dieser Sektion befassen sich mit der Art und Weise, wie die Goldschmiedearbeiten, insbesondere vasa sacra et non sacra, auf künstliches und natürliches Licht reagieren, wenn sie auf dem Altar ausgestellt, in festen oder temporären Ausstellungsvorrichtungen platziert oder bei Prozessionen bewegt werden. Außerdem soll untersucht werden, wie die äußere Beleuchtung mit der Figuration und Materialisierung des inneren Lichts zusammenwirkt, die sich am Objekt selbst durch die Verwendung von Leuchtmaterialien (Gold, Silber, usw.), Bergkristallfenstern oder Edelsteinen manifestiert. Die vorgeschlagene Analyse kann außerdem nicht von der Biografie der untersuchten Objekte getrennt werden.
Die Inszenierung des Lichts in und um den Reliquienschrein hat die Funktion, die Präsenz zu enthüllen, ohne sie zu fixieren. Die Manipulation des Lichts erzeugt Vibrations-, Flimmer- oder Schimmereffekte, die diaphanen Eindrücke schaffen; dies ist eine ausdrückliche Voraussetzung für die Konstruktion der visuellen Rhetorik der Heiligkeit (C. Hahn). Die z. B. auf dem Reliquiar gefassten farbigen Edelsteine – hauptsächlich Smaragde, Amethyste, Saphire, aber auch Sarder mit flüssigen Effekten – bringen seine eigentliche leuchtende Dimension zum Ausdruck, während der Bergkristall quasi eine Membran zwischen dem Himmlischen und dem Irdischen bildet (Apk 4,6). Das Reliquiar weist die doppelte Dimension eines Bildschirms auf: Es verbirgt und enthüllt zugleich und spielt die diaphane Qualität voll aus.
Die erwarteten Beiträge, die auf Deutsch, Englisch, Französisch oder Italienisch eingereicht werden können, befassen sich unter anderem mit der Untersuchung des künstlichen und/oder natürlichen Lichts in der Kultstätte und dessen Auswirkungen auf die Wahrnehmung von Goldschmiedeobjekten, insbesondere bei der Ausstellung und Ostension von Reliquiaren. Ebenso werden Beiträge erwartet, die sich mit der Beziehung zwischen Materialität und Licht befassen, wobei der Schwerpunkt auf Goldschmiedearbeiten liegt. Die Frage nach Textquellen, die sich speziell mit der Wahrnehmung von Reliquienschreinen in situ befassen, sollte ebenfalls berücksichtigt werden.
Sektionsleitung: Joseph Salvatore Ackley (Middletown, Connecticut) und Joshua O’Driscoll (New York)
Sponsored Session ICMA – International Center of Medieval Art
In den jüngsten Diskussionen über mittelalterliche Materialität wurden mit Begeisterung Prüfsteine wie Gold und kostbare Edelsteine erforscht, prächtige Medien par excellence, deren schillernder Glanz bei den mittelalterlichen Betrachtern eine unendlich reiche Palette von Bedeutungsinterpretationen auslöste. Die Kostbarkeit und ästhetische Wirkung dieser Materialien beruhten zu einem großen Teil auf ihrer Eigenschaft, Licht zu manipulieren und zu reflektieren. Der daraus resultierende Glanz ermöglichte eine Vielzahl von Wahrnehmungsweisen, vom Sinnlichen bis hin zum Mystischen, deren Mechanismen mittelalterliche Denker immer wieder mit Begeisterung erforschten. Während Gold und Edelsteine im Mittelpunkt wichtiger kunsthistorischer Untersuchungen standen (man denke nur an die jüngsten Arbeiten über Goldgrundmalerei, juwelenbesetzte Reliquienschreine und Schatzeinbände), wurde Silber als Untersuchungsgegenstand deutlich weniger beachtet. Obwohl es dem Gold sehr ähnlich ist, weist Silber andere Verarbeitungseigenschaften auf, erzeugt andere visuelle Effekte und hat andere allegorische Bedeutungen. Die vorherrschenden Traditionen der Naturphilosophie definierten die beiden Edelmetalle oft im Gegensatz zueinander: Während Gold beispielsweise als warmes Element galt, war Silber aufgrund seiner elementaren Zusammensetzung kühl. Gold und einige Edelsteine konnten den Sehsinn stärken, während Silber andere körperliche Wirkungen hatte. Ein Großteil der Kommentare zu Silber konzentrierte sich auf den unterschiedlichen Reinheitsgrad, wie zum Beispiel in Psalm 11: „Die Worte des Herrn sind reine Worte, wie Silber, das vom Feuer geprüft … siebenmal geläutert wird“. In Fortsetzung dieser Analogie beschreibt Cassiodor den Glanz des göttlichen Wortes als ein Metall, das “in einem Ofen gebrannt wird und mit dem rötlichen Schein der Wahrheit glänzt”. Trotz dieser Rhetorik der Reinheit ist Silber jedoch bekanntermaßen anfällig für Anlaufen und Oxidation, was es zu einem heikleren Material für Buch- und Tafelmalerei macht. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Fragen der Visualität und Materialität, die für Gold und Edelsteine so ergiebig waren, auch für Silber gelten, und dennoch wurde dieses Material von der Wissenschaft etwas vernachlässigt, trotz wichtiger Beiträge von Herbert Kessler, Thomas Raff, Nancy Turner und anderen. Aus diesem Grund bittet dieses Gremium um Einreichungen, die sich mit dem Wesen und der Bedeutung von Silber befassen, insbesondere wenn es als Medium in der Manuskriptillumination, der Tafelmalerei und der Metallbearbeitung verwendet wird. Fragen zu den visuellen Eigenschaften von Silber, einschließlich seiner Interaktion mit Licht, können sich in eine Vielzahl von Richtungen ausweiten. Zu den Themen gehören u. a. die Traditionen der Silbergrundmalerei, die Oxidation von Silber, die Rhetorik von Anlauffarben und Dunkelheit, die Naturphilosophie des Silbers, insbesondere im Hinblick auf Optik, Sehkraft und Körper, die allegorischen Interpretationen des Silbers, z. B. seine Beziehung zu Süße, Reinheit und Beredsamkeit, Zwischgold, Elektrum und andere Wechselwirkungen mit Gold, die verschiedenen Behandlungen von Silberpigment und Blattsilber auf Pergament und Tafel und vieles mehr.
Sektionsleitung: Antje Bosselmann-Ruickbie (Gießen)
Emailarbeiten gehören zu den anspruchsvollsten Artefakten des Mittelalters, die mit höchstrangigen Auftraggebern in Verbindung gebracht werden können und gelegentlich sogar – und sehr früh – signiert wurden. Die Forschungslage wird ihrer Bedeutung jedoch nicht gerecht, nicht zuletzt aufgrund unzureichender fotografischer Dokumentationen. Emailarbeiten können ohne Licht ihre Wirkung nicht entfalten, was insbesondere bei transluzidem Email „einleuchtet“, aber auch opaken Schmelz betrifft. Fotos vermitteln oft irreführende Eindrücke, z. B. wenn vermeintlich bedeutendere Teile emailverzierter Objekte optimal ausgeleuchtet werden, während deren Emails buchstäblich im Dunkeln bleiben (z. B. Ikonenrahmen mit Emailmedaillons vs. Malerei). Ohne Inaugenscheinnahme der Originale ist eine gründliche Erforschung daher kaum möglich, wenn auch Raumlichtunterschiede und Lichtreflektionen der teils reliefierten Metallgründe weitere Herausforderungen bieten. Der schwierige Zugang zu mittelalterlichen Emails in zahlreichen internationalen Sammlungen ist ein Forschungsproblem, das sich angesichts jüngster krisenbedingter Reisebeschränkungen weiter zuspitzt.
In der Forschungsliteratur kursieren daher Missverständnisse wie Verwechslungen von Email und Niello. Darüber hinaus sind Farbbezeichnungen oft vage, dabei können jedoch präzise Angaben zu Emailfarben und -tönen Anhaltspunkte für Lokalisierungen und Austauschprozesse generieren. Ein Beispiel ist der „Lavendelton“ bei gotischen transluziden Emails des 14. Jhs., der sich neuen Fotos zufolge auch an gleichzeitigen byzantinischen Emails findet und ein zusätzliches Indiz für die Verbreitung „modischer Trends“ in Byzanz und im Westen liefert. Grundsätzlich müssen technisch-handwerkliche und materialbezogene Aspekte in der Forschung stärker berücksichtigt werden, da z. B. mitunter technische Voraussetzungen und stilistische Charakteristika verwechselt werden. Die interdisziplinäre, vernetzte Forschung im Sinne der „Technischen Kunstgeschichte“ muss für die mittelalterliche Emailkunst also deutlich ausgebaut werden.
Systematische Ansätze zur Erfassung und Dokumentation sind bereits erfolgt (D. Kemper, L. Lambacher) und sollen mit dieser Sektion erneut ausgelotet werden, insbesondere in Hinblick auf die Rolle des Lichts und lichtabhängiger Analyse- und Dokumentationsverfahren bei der Erforschung der Emailkunst des Mittelalters. Erwünscht sind Vorträge, die verschiedene Disziplinen und Ansätze vertreten, z. B. Kunstwissenschaft, Materialanalytik/Archäometrie und Wissenschaftsgeschichte sowie zu fotografischen Dokumentationsverfahren. Damit sollen die bisherige Forschung auf den Prüfstand gestellt und neue Perspektiven und Standards für die Erforschung mittelalterlicher Emailarbeiten weiterentwickelt werden.
Sektionsleitung: Svea Janzen (Jena)
Der Entdeckergeist und die Erfindungsfreude, mit denen ab 1420 Maler im deutschsprachigen Raum Lichtphänomene ins Bild setzen, werden bis heute von den lichtmimetischen Leistungen ihrer niederländischen Kollegen überstrahlt. Die Sektion widmet sich diesem weniger erforschten, originellen Umgang mit Licht. Ergründet werden soll, wie Lichtdarstellungen und lichthafte Effekte in der deutschen Malerei des 15. und frühen 16. Jahrhunderts Träger emotionalen Ausdrucks, idiosynkratischer Ästhetik sowie erzählerischen und theologischen Gehalts sind und dabei Anreiz zur Entwicklung neuartiger künstlerischer Gestaltungsweisen geben.
Schon um 1420 werden in Süddeutschland in winzigen Buchmalereien flirrende Sonnenaufgänge und ab 1430 lichtspiegelnde Wasserflächen dargestellt. Früher als andernorts in Europa wird im deutschsprachigen Raum in Buch-, Glas- und Tafelmalereien die Wiedergabe von Schlagschatten aus der niederländischen Malerei aufgegriffen. Doch gibt die Entdeckung des Lichts für die folgenden Jahrzehnte nicht lediglich Anregung zur mimetischen Oberflächenschilderung, sondern zum einfallsreichen Umgang mit Metallauflagen, Farbauftrag und Kolorit. Das Interesse an Lichtphänomenen umfasst dabei viel mehr als nur die konsequente Wiedergabe einer Lichtquelle und ihrer Wirkung, sondern gilt Spiegelungen auf Wasser, Wetterphänomenen, tages- und jahreszeitlichen Darstellungen sowie metaphysischen Erscheinungen. Lichthafte Effekte durch den Einsatz von Blattmetallen, Punzen, Lacken oder auch Pressbrokat sowie durch besonderen Farbauftrag und luminöse Farbigkeit erzeugen eigenwillige Stile und binden die Betrachter emotional ein. In den visionshaften Lichterscheinungen der Maler des frühen 16. Jahrhunderts wird Licht schließlich als metaphysische Kraft in spektakulären Farb- und Hell-Dunkel-Gestaltungen in Szene gesetzt.
Gewünscht sind Beiträge, die sich mit außergewöhnlichen Auffassungen und Darstellungen von Lichtphänomenen sowie mit der Erzeugung lichthafter Effekte in der Malerei und der Gestaltung von Bildträgern befassen. Mögliche Fragen sind: Wie verorten sich Darstellungen von Lichtphänomenen zwischen sakralem Glanz und psychologischem Gehalt, Bilderzählung, Repräsentation und ästhetischer Gestaltungsweise? Wie steigern Lichtdarstellungen und die Erzeugung lichthafter Effekte den „Kunst“-Charakter eines Werkes? Wie greifen die Wiedergaben von Licht, Wetter und Zeitlichkeit (Tages- und Jahreszeit, Zeitspannen) ineinander? Wie wird mit Lichthaftigkeit und Dunkelheit kalkuliert gestaltet? Welche möglicherweise neuen Mittel des Farbauftrags oder zur Gestaltung von z.B. Goldgründen kommen für lichthafte Effekte zum Einsatz?
Sektionsleitung: Dominique Wyss und Lea Hunkeler (Riggisberg)
Sponsored Session Abegg-Stiftung, Riggisberg
In spärlich beleuchteten Räumen ausgestellt, werden heute textile Objekte möglichst vor Licht geschützt. Zu gravierend sind die irreparablen Schäden, die aufgrund intensiver Strahlenbelastung entstehen. Dessen ungeachtet vermögen uns mittelalterliche Stoffe durch ihr prachtvolles Erscheinungsbild zu faszinieren. Ihre ganze Wirkung entfaltet sich jedoch erst im rechten Licht. Die Vielzahl der Effekte, die dabei zum Vorschein kommen, entsteht, indem die einfallenden Lichtstrahlen von der Oberflächenstruktur des Materials und abhängig von der verwendeten Technik unterschiedlich stark reflektiert beziehungsweise absorbiert werden. Mit eindrucksvoller Kunstfertigkeit bedienten sich die verschiedenen Textilhandwerke zu allen Zeiten eines schier endlos scheinenden Repertoires effektsteigernder Elemente. Kostbare Materialien wie etwa Seide, Metallfäden und Perlen wurden gekonnt mit technischem Know-how kombiniert. Auf diese Art und Weise ließen sich zusätzlich diverse Matt- und Glanzeffekte erzeugen und Farbnuancen dezisiv erweitern.
Ausgehend von diesen wahrnehmungssteigernden Möglichkeiten beeindruckt die Gruppe der einfarbigen Textilien besonders. Schon auf den ersten Blick heben sie sich durch ihre unspektakulär erscheinenden Oberflächen von den anderen ab. Ihr Zauber offenbart sich erst durch die Bewegung und den wechselnden Lichteinfall, woraufhin das zunächst unsichtbare Muster erscheint. Die textile Umsetzung monochromer Gestaltungsideen konnte dabei durch verschiedene Materialien und Techniken erfolgen. Die erhaltenen mittelalterlichen Objekte bieten diesbezüglich ein faszinierendes Bild. Etwa zu Gewändern oder für Raumausstattungszwecke verarbeitet, dokumentieren einfarbige Seidenstoffe, Damaste oder Weissstickereien darüber hinaus die vielfältigen Verwendungsmöglichkeiten sowohl in sakralen als auch profanen Bereichen. Die Sektion möchte die charakteristische Eigenheit dieser spezifischen Gruppe im Kontext ihrer Herstellungsmöglichkeiten, aber auch in ihrer Bedeutung diskutieren. Erwünscht sind Referatsvorschläge, die sich mit Aspekten monochromer Textilien auseinandersetzen und sie im kunsthistorischen Diskurs verorten.
Sektionsleitung: Thomas Rainer, Sabrina Schmid, Katharina Theil (Zürich)
Sponsored Session: SNF-Forschungsgruppe „Textures of Sacred Scripture“, Zürich
In allen drei abrahamitischen Buchreligionen wurde das niedergeschriebene Wort Gottes mit Lichtsymbolik assoziiert und die Heiligen Schriften als lichtvermittelnde Medien betrachtet. Der Einzug des Evangelienbuchs zu Altar und Ambo war – um nur ein Beispiel herauszugreifen – in der christlichen Liturgie des Frühmittelalters stets von Kerzenträgern begleitet. Um den «splendor» der Bücher sichtbar zu machen, wurde eine Vielzahl Materialien und unterschiedlicher Techniken der Oberflächenbearbeitung eingesetzt, die das Leuchten der heiligen Buchobjekte sinnlich erfahrbar machten.
Dabei traten Licht, Schriftträger und Schrift in ein ambivalentes Wechselspiel, das entscheidend durch die Bewegung des codexförmigen Buchkörpers – sowohl als geschlossenes Objekt wie im Vorgang des Blätterns der Seiten – geprägt wurde. Das Zusammenspiel von Lichtquelle, Bewegung und Materialität unterschiedlich reflektierender und transparenter Oberflächen bestimmte visuelle Erfahrung und Affordanz der Buchobjekte.
Gold- und Silberbeschläge, Seidengewänder sowie das Farbenspiel der transluzenten oder opaken Edelsteine auf der Außenhaut der Bücher erzeugten changierend schimmernde Glanzeffekte. Diese leiteten die Wahrnehmung der in der Liturgie inszenierten Bücher als Medien verkörperter Lichterfahrung. Mit Gold- und Silbertusche geschriebene und polierte Texte, die beim Aufschlagen und Blättern der Codices sichtbar wurden, manifestierten sich in einem spannungsvollen Fluktuieren von Schrift und Schriftträger, im Schweben der glänzenden Buchstaben über dem häufig purpurfarbenen Grund. Auf einer praktischen Ebene ergab sich ein Spannungsverhältnis zwischen der Lesbarkeit des Texts und dem Glanz seiner Medien, das die mittelalterlichen Quellen früh thematisieren. So berichtet Isidor (Etym. 6, 11, 2), dass strahlend weißes Pergament zu vermeiden sei, da sein Lichteffekt wie vergoldete Bibliotheksdecken die Augen ermüde und ein erfrischendes Leseerlebnis verhindere.
Folgende Fragestellungen/Themen sind von spezifischem Interesse:
– Wahrnehmungseffekte durch verschiedene Bearbeitungstechniken von Edelmetallen wie Polieren, Gravieren, Punzieren sowohl auf Prachteinbänden wie Pergamentseiten.
– Ornamentale Strategien durch die Kombination von Materialien mit unterschiedlicher Lichtwirkung.
– das Lichtspiel der Schmucksteine auf den Einbänden und ihrer Materialevokationen im Buchinneren.
– durch Bewegung der Buchobjekte bzw. Lichtquellen hervorgerufene, changierende Farb- und Glanzeffekte.
– Relationen von Farb-, Glanz- und Transparenzeffekten über die Oberflächen des Buchs hinweg.
– Splendor der Bücher im liturgischen Gebrauch – Prachtentfaltung durch Lichtinszenierungen.
– Licht und Lesbarkeit.
– Darstellung von Lichtmedien in der Buchkunst.
Willkommen sind auch Ansätze, die interdisziplinär spektroskopische Verfahren der Materialanalyse mit Untersuchungen zur Lichtwirkung von Buchschmuck verbinden.
Sektionsleitung: Franziska Wenig (Heidelberg)
In den Inschriften der spätantiken und frühmittelalterlichen Apsismosaiken in Rom spielen Licht und die vielfältigen Formen seines Ausdrucks (funkeln, glänzen, schimmern) sowohl im materialen wie im übertragenen Sinn eine entscheidende Rolle: Selbstreferenziell zeugen sie vom (wiederhergestellten) Kirchenbau mitsamt seiner prächtigen Gestaltung (Mosaik) und geben Auskunft über ihre Stifter:innen, die sich zumeist Fürbitte für ihr Heil erhoffen. Als aussagekräftige Beispiele dürften die Mosaiken von Ss. Cosma e Damiano, S. Stefano Rotondo, S. Agnese fuori le Mure oder S. Maria in Domnica gelten.
Damit die Inschriften ihre volle Wirkung entfalten konnten, wurde nicht nur mittels der Setzung der tesserae in unterschiedlichen Winkeln Einfluss auf deren Reflektion genommen und so ein lebendiges Bild erzeugt, sondern auch im Prozess der Herstellung der Steinchen selbst: Ab dem 1. Jahrhundert n. Chr. konnte das Glas um hauchdünne Goldfolien ergänzt werden, ein farbiger Untergrund steuerte dabei die Wirkung des Goldes zusätzlich: Gelbes Glas verstärkte den Farbton, rotes erzielte einen warmen Effekt und grünes potenzierte den Schimmer – die Wirkung des Materials war also entscheidend und wurde aktiv beeinflusst.
Mithilfe ihrer materialen Präsenz übernimmt die derart gestaltete Inschrift eine Funktion, die sie selbst beschreibt. Das Funkeln, Glänzen und Schimmern wird im sakralen Raum schrift(bild)lich sichtbar. Der Bedeutungshorizont reicht aber noch weiter: Durch die Kombination von Technik und Material gelingt den Stifter:innen eine Demonstration ihrer Macht (Caroline J. Goodson), die praxeologisch hinter ihrer Verehrung der Heiligen zurückstehen soll. Ein weiteres Feld eröffnet sich, wenn das in Material, Schrift und Bild vermittelte Licht in Bezug zum göttlichen Licht oder als verbindendes Moment zu transzendenten Sphären gesehen wird (Barbara Schellewald).
Ausgehend vom Beispiel der Inschriften in Apsismosaiken soll in dieser Sektion der Betrachtungsrahmen erweitert werden. Lassen sich die beschriebenen Phänomene auch fernab des Sanktuariums und des christlichen Kultes beobachten? Finden sich ähnliche Ausprägungen z.B. in der materiellen Kultur des Islam oder im Judentum und welche Bedeutung wird ihnen zugesprochen? Findet die Verknüpfung von materialer Präsenz und schriftlicher Referenz auf das Licht auch in anderen Medien und Objektgruppen wie bspw. Inschriftenbändern innerhalb und außerhalb des sakralen Raumes, als Inschriften in Glasmalerei, auf liturgischem Gerät, an Schreinen, Reliquienbehältnissen, Leuchtern und vielem Ähnlichen mehr statt? Und inwieweit wird auch in Hoch- und Spätmittelalter epigraphisch das Thema Licht auf Artefakten behandelt?
Sektionsleitung: Gia Toussaint (Wolfenbüttel)
Der Spiegel als Medium des Lichts und optisches Instrument beleuchtet die Dinge im wahrsten Sinne des Wortes. Von besonderem Interesse ist der Abstand zwischen der „Wirklichkeit“ und dem, was der Spiegel wiedergibt. Der Rosenroman kennt seine verschiedenen Eigenschaften und damit verbundenen Irritationen: Ein Spiegel kann vergrößern, verkleinern, die Dinge auf den Kopf stellen oder die wahren Größenverhältnisse reproduzieren; er kann das Sonnenlicht reflektieren, Dinge verbrennen oder vervielfachen (V. 18153–18285). Neben seinen optischen Qualitäten weiß der Roman aber auch von Gefahren: dem verhängnisvollen Blick des Narziss in den Spiegel „wodurch er dann tot niederfiel“ (V. 1574) oder dem Spiegel, den Oiseuse, die Müßigkeit, in Händen hält.
Dem Spiegel wohnt eine Ambivalenz inne, besonders wenn er als Reflektor dient. Benutzten ihn Gläubige als Wallfahrtsspiegel zum Einfangen von Heil bei Reliquienweisungen, so weiß Paulus um seine Rätselhaftigkeit: videmus nunc per speculum in aenigmate tunc autem facie ad faciem (1 Kor 13,12). Dieses vielinterpretierte Apostelwort weist darauf hin, dass das Sehen in den Spiegel eben nicht nur Sichtbares zeigt, sondern dem entgegensteht. Was zeigt nun aber der Spiegel? Mehr als Reflexion und Spiegelbild, wenn etwa der sich Spiegelnde sich im Spiegelbild als Narr erkennt? Wie steht es um die Sichtbarmachung von Verborgenem oder Transzendentem? Ist er ein magisches Instrument, eines, das sogar um Vergangenheit und Zukunft weiß? Und was bewirkt ein Spiegel? Auch in diesem Fall ist die Antwort vielfältig: Er birgt Erkenntnis, aber auch Täuschung oder Verwandlung.
Weiter ist zu fragen, wer in den Spiegel blickt, wer in den Spiegel schauen soll und wer wem den Spiegel vorhält. Spiegel gehörten zu den Luxusgütern, nicht jedem zugänglich. Seine Funktion war aber durchaus bekannt, so dass sich eine Reihe von metaphorischen und moralischen Vorstellungen an ihn knüpfte, abhängig davon, in wessen Händen sich der Spiegel befand. Allegorisch durch Venus, Luxuria, Superbia, Frau Welt oder Fortuna verkörpert, stellt sich die Frage, warum kaum Männer als Träger von Spiegel und Spiegelung gedient haben.
Die Sektion soll die unterschiedlichen Funktionen, Wirkungen und metaphorisch-allegorische Bedeutungszuschreibungen dieses ebenso schlichten wie wirkungsvollen optischen Instrumentes, seine künstlerische Umsetzung sowie das einschlägige technologische Wissen in den Blick nehmen.
Sektionsleitung: Wolfgang Augustyn (München)
Das Licht und sein Gegenteil, die Abwesenheit von Licht als Finsternis oder Dunkelheit, sind Teil der Lebenswirklichkeit des Menschen. Im Mittelalter wurde dies kaum als Phänomen der Natur wahrgenommen, vielmehr erkannte man diesem Zustand oftmals eine besondere Bedeutung zu. Finsternis, Dunkelheit, der Wechsel von Tag und Nacht, wurde mit dem Fehlen des Guten, mit Schrecken, Unheil, Tod und Totenreich assoziiert. Das Fehlen von Licht setzte man mit der Abwesenheit Gottes gleich, das Hereinbrechen der Dunkelheit oder der Aufenthalt im Dunklen wurde als Strafe und Verdammnis gedeutet.
Für die Künstler des Mittelalters ergab sich mit der Wiedergabe dieses Zustands eine ganz eigene gestalterische Herausforderung: Wie sollte die Abwesenheit von Licht dargestellt werden? Die Bildkünste belegen eine Fülle von unterschiedlichen lokalen, zeitlichen oder technischen Möglichkeiten, die erprobt wurden, um etwa in erzählerischen Szenen oder innerhalb von Bildfolgen das Fehlen von Licht, die Finsternis, mit malerischen oder graphischen Mitteln auszudrücken.
Zu den einschlägigen Bildthemen gehören
Kosmische Phänomene (aufgrund göttlicher Regie) und Ereignisse, die mit Licht/Dunkelheit konnotiert sind: die Erschaffung des Lichts, die Trennung von Licht und Finsternis, in Darstellungen des biblischen Schöpfungsberichts, die Weihnachtsnacht der Geburt Christi, die Verdunkelung des Himmels während der Todesstunde Christi oder Ereignisse, die mit dem in der Apokalypse beschriebenen Ende der Welt zusammenhängen (die verfinsterte Sonne, die verdunkelten Gestirne), aber auch die alttestamentliche „Plage der Finsternis“. Vor allem sind Hölle und Vorhölle Orte der Dunkelheit, die in Darstellungen des Weltgerichts als abschreckende Mahnung eindrucksvoll verbildlicht wurden. Vor allem an Ostern wurde in der Liturgie das von Gott kommende Licht Thema, dem die Dunkelheit und Finsternis weichen muss. Hinzu kommt, dass auch die Unfähigkeit, in Blindheit Licht wahrzunehmen zu einem Thema wurde, bei dem das Fehlen des Augenlichts und wundersame Heilungen eine Rolle spielen konnten.
Willkommen sind Beiträge, die dem Thema „Finsternis“ als Gegensatz von Licht in allen Aspekten Rechnung tragen.
Sektionsleitung: Saskia C. Quené (Tübingen)
Auch der Goldgrund kennt eine Schattenseite, worauf bereits Cennino Cennini in seinem Libro dell’Arte hinwies. Tatsächlich machen sich beide Erscheinungsformen des Blattgoldes, die glänzend-helle und die stumpf-dunkle bis heute in Tafelbildern und illuminierten Handschriften bemerkbar: Im plötzlichen Aufblitzen des Goldes zeigen sich Licht und Schatten als ephemeres Spiel. Dennoch hat die Kunstgeschichte vor allem die Lichtseite des Goldes betont und auf ihren lichtmetaphorischen und -metaphysischen Gehalt aufmerksam gemacht. Dabei kannte das Mittelalter durchaus auch Schatten; die Jungfrau Maria wird im Beisein des Engels Gabriel vom Heiligen Geist „überschattet“ (Lk 1,35), in Traktaten wird das Phänomen spätestens ab dem 12. Jahrhundert optiktheoretisch diskutiert und der Mond wirft seinen Schatten auf die Kugelgestalt der Erde. Bisweilen gilt sogar das gesamte Diesseits als „umbra futurorum“.
Die Sektion „Schattenseiten und Schattenbilder“ lädt Beiträge ein, die sich dem Phänomen des Schattens in Bezug auf spezifische künstlerische Materialien und Techniken (Edelmetalle, Relief, Skulptur, Architektur), Ikonographien (Heiliger Geist, Wolke, Sonnenfinsternis) oder in schriftlichen Quellen (zur Astronomie, Kosmologie, Geometrie, und Optik) widmen. Dabei kann gefragt werden: Wo, wie und wann werden Schatten (un)sichtbar? Wie lenk(t)en Schatteneffekte die Produktion und Wahrnehmung von Artefakten? Wie lässt sich der Schatten jenseits seiner Opposition zum Licht ikonographisch (und theologisch) fassen? Wie werden Halbschatten und Schlagschatten im Kontext von Reflexions- und Refraktionstheorien im arabischen und lateinischen Mittelalter (visuell) verhandelt? Welche Implikationen ergeben sich daraus auch für die (fotografische) Darstellung und Inszenierung von Objekten in kunsthistorischen Publikationen oder in musealen Räumen?
Sektionsleitung: Vera Henkelmann (Erfurt), Heike Schlie (Krems), Stefan Bürger (Würzburg)
Diese Doppelsektion will sich dem Umgang mit Tages- und Kunstlicht widmen, sowohl den mittelalterlichen Strategien des Lichtgebrauchs als auch unserem wissenschaftlichen Umgang mit Artefakten und Quellen, um solche Strategien nachvollziehen und qualifizieren zu können: In einer beide Sektionsteile umfassenden Diskussion sollen die in Einzelvorträgen exemplifizierten Strategien ebenso wie die Arbeitsweisen und Methoden verglichen werden.
Auf methodischer Ebene wäre zu fragen, wie sich Strukturen oder Spuren intentionaler Lichtinszenierungen erkennen, beschreiben und bewerten lassen. Inwiefern können Qualitäten des Umgangs mit verschiedenem Licht bspw. als Beleuchten (etwas durch Licht besser sichtbar machen, zu präsentieren), Belichten (mit Licht erfüllen bzw. durch Licht erscheinen zu lassen, zu vergegenwärtigen), Erhellen (durch Licht etwas sinnvoll erscheinen zu lassen bzw. Bedeutsames zu erzeugen und zu verkörpern, zu repräsentieren, zu verewigen) und/oder Erleuchten (durch „göttliches“ Licht im Betrachtenden etwas zu bewirken, zu aktivieren, zu transformieren, zu heilen, zu heiligen, zu vergöttlichen) sinnvoll differenziert werden? Lassen sich Kriterien und Kategorien benennen, um eine mittelalterliche Lichtkultur – div. Handlungen im Umgang mit Licht – in Bau-, Bild- und Schriftquellen fassbarer zu machen?
Die Doppelsektion will im ersten Schritt Beiträge versammeln, die gezielte, absichtsvolle Strategien herausarbeiten, wie Tages- und Kunstlicht bei der Produktion und Rezeption von Artefakten und Architektur als Faktor der Wirkungs- und Sinnstiftung eingesetzt wurde, welche Allianzen das Licht, der Raum und die materiellen Dinge formten, welche Eigenschaften und Zuschreibungen an das Licht jeweils fokussiert wurden – und insbesondere auch, wie dieses Herausarbeiten arbeitstechnisch und methodisch erfolgte.
Licht machte die Welt und Wirklichkeit sichtbar und mit ihren immanenten Eigenschaften als Schöpfung Gottes erkennbar, es darüber hinaus aber auch möglich, jenseits der im Licht sichtbaren Dinge transzendente Vorstellungen von den Machtsphären und Handlungen Gottes aufscheinen zu lassen, blieb am Ende aber wie Gott selbst unbegreifbar. Dienten die Licht-Effekte allein der Aufmerksamkeitssteuerung zur Qualitätssteigerung des Materiellen oder einer Konstituierung des Immateriellen – und welche Befunde dienen uns, um solchen Umgang zu erkennen und zu unterscheiden?
Zwar kann Licht nicht wie ein Material verarbeitet werden, gezielte Effekte von Tages- und Kunstlicht können jedoch bei der Verarbeitung von Material sowie mit Formen der Lichtregie medial konstituiert werden. Die Grundannahme ist, dass die Lichtwirkung (als liminales Phänomen) im Mittelalter genutzt wurde, um am Material und den Artefakten Schnittstellen zwischen Immanenz und Transzendenz zu konstituieren. Der radikalste Fall wäre gleichsam der, dass ein Artefakt nicht primär geschaffen wird, um selbst zur Erscheinung zu kommen, sondern um an seiner Dinghaftigkeit und/oder Materialität dem Licht Gestalt zu geben.
Der produktive Einsatz des Lichtes als Medium ist maßgeblich von der Qualität, Verfügbarkeit und semantischen Valenz der Lichtquelle abhängig, weshalb diese Doppelsektion sich im ersten Sektionsteil (17.1) Phänomenen des Tageslichts, im zweiten Sektionsteil (17.2) Phänomenen des Kunstlichts widmen würde. Tages- und Kunstlicht unterscheiden sich vor allem nach ihrer Wandel- und Verfügbarkeit.
Die Frage wäre hier: Lassen sich spezifische Merkmale feststellen, um jeweils durch kontrollierte Strategien Tages- oder Kunstlicht in unterschiedlicher Weise produktions- und rezeptionsästhetisch zu aktivieren? „Kontrolliert“ meint hier den zugleich absichtsvollen und gelungenen Umgang mit der Materialität des Ortes/Objektes hinsichtlich der spezifischen Kunstfertigkeit der Lichtregie als auch mit den damit verbundenen sinnstiftenden und -steigernden immateriellen Leistungsmerkmalen.
Sektion 17.1 zum Tageslicht
Sektionsleitung: Heike Schlie (Krems), Stefan Bürger (Würzburg)
In diesem Sektionsteil soll besonders das unmittelbar von Gott ausgehende, das Göttliche/Handeln verkörpernde Licht als transmittierende, als transformierende oder transzendierende Komponente kontrollierter künstlerischer Strategien interessieren. Besondere Bedeutung soll dabei der Betrachtung des Lichts als Grenzen und Schwellen überwindender Aktant zufallen und den dabei auftretenden liminalen Phasen und jenen die Liminalität betreffenden Effekten, die die Qualität des Lichts selbst aber auch die beleuchteten/durchlichteten Materialien, die real und virtuell vergegenwärtigten Bild-/Räume und Handlungen betreffen.
Sektion 17.2 zum Kunstlicht
Sektionsleitung: Vera Henkelmann (Erfurt), Stefan Bürger (Würzburg)
In diesem Sektionsteil sollen die über rein praktische Belange hinausgehenden, besonders effizienten Strategien der Kunstlichtverwendung vorgestellt und untersucht werden. Hier interessiert, wie mit Hilfe künstlicher Lichtquellen und -inszenierungen im Beziehungsdreieck Licht-Raum-Mensch durch urbane, bau- und bildkünstlerische Settings Stadt-/Bild-/Handlungsräume erschaffen und modelliert, wie Schwellen und Atmosphären und damit spezifische visuelle Erfahrungsräume kreiert, hierin Aufmerksamkeit und Handlungen gesteuert, Werte präsentiert und repräsentiert werden können. Zu fragen ist hier, ob und wie sich ggf. transformierende oder transzendierende Effekte von denen des Tageslichtes unterscheiden oder nicht.
Sektionsleitung: Joanna Olchawa (Princeton / Frankfurt am Main) und Irene Holzer (München)
Bedeutungsvolle, ephemere Ereignisse und Praktiken wie Messen und nächtliche Offizien, Prozessionen und (geistliche) Spiele sind im Mittelalter auf eine aurale, eine das Sehen und Hören prononcierende Rezeption ausgerichtet. Die Wirkmächtigkeit der rituellen Handlung entsteht dabei häufig erst durch licht- und klangerzeugende Akteure (wie durch Singen und Tragen von Kerzen) sowie die dadurch inszenierte Partizipation am Heilsgeschehen. Mithilfe des arrangierten bzw. inszenierten Klangs – als Oberbegriff für Musik, Gesang, Sprechakte – sowie des Lichts erfolgt eine gezielte Akzentuierung; gemeinsam oder getrennt sorgen sie für die Schaffung von dramatischen Kontrasten (hell/dunkel, laut/leise), der Zuweisung von Bedeutung oder auch der Bildung eines Gemeinschaftsgefühls (unter den Anwesenden, aber auch mit der vorgestellten Transzendenz). Eine besondere Rolle kommt innerhalb der entstehenden ‚Lightscapes‘ (Bille/Sørensen 2007) und ‚Soundscapes‘ (Murray Schafer 1977) der materiellen Dimension zu. Die involvierten Objekte entfalten hierbei divergierende Funktionen: Sie reichen von der schlichten Praktikabilität als Ausstattungs- und Ermöglichungsinstanzen (Lampen, Klangerzeuger), über gezielt eingesetzte Requisiten bis hin zu dramaturgischen Zentren und Marker von Numinosität (wie den bei Prozessionen getragenen, besungenen und beleuchteten Kreuzen). Der Raum hingegen ist nicht allein Handlungsort und Strukturierungselement, sondern auch künstlerisch gestaltete Kulisse und Bühne. Dies kommt beispielweise während der Osternacht mit dem Entzünden der Osterkerze und dem Exultet-Gesang zur Geltung, oder auch beim Verlesen der Evangelien am sog. Heinrichsambo in Aachen, durch dessen Bergkristallelemente das Licht durchschimmerte und damit ‚das göttliche Wort‘ in seiner metaphorischen Leuchtkraft zusätzlich inszenierte. Gleichzeitig erklang in den Gesängen neben dem obligaten Lobpreis Gottes sowohl (schmückende) Musik wie auch die diskursive Deutung der erlebten Lichtrituale.
Die Sektion interessiert sich – ausgehend von den genutzten Objekten und Räumen der Zeit 500–1500 – für Fragen nach Auralität, dem konkreten Zusammenspiel der illuminativen und auditiven Elemente: Auf welchen Ebenen des Dramatischen, Performativen, Sinnlichen sind Licht und Klang – sich ergänzend oder kontrastierend – eingebettet? Wie verändern sie die Wahrnehmung und Partizipation, nehmen Einfluss auf das, was gesehen und was gehört wird? Willkommen sind auch Beiträge, die Zeremonien jenseits des Christentums thematisieren oder Praxis-/Performanztheorien unter Berücksichtigung der materiellen Dimensionen reflektieren.
Sektionsleitung: Josef Hormes (Bonn)
Wenn wir über „Licht“ sprechen, meinen wir fast immer den kleinen Bereich des elektromagnetischen Spektrums, für das unsere Augen sensitiv sind! Wir wissen aber, dass es auch „Licht“ gibt, für das unsere Augen nicht empfindlich sind, z.B. das Infrarote, das wir als Wärme auf unserer Haut spüren, die ultraviolette Strahlung, die uns den Sonnenbrand „beschert“ und schließlich auch die Röntgenstrahlung, die z.B. in der Medizin hauptsächlich für diagnostische Zwecke eingesetzt wird. Die Synchrotronstrahlung, das „Licht“, das von Elektronen, die sich mit nahezu Lichtgeschwindigkeit auf makroskopischen Kreisbahnen in Elektronenbeschleunigern (Betatrons, Synchrotrons, Speicherringen) bewegen, abgestrahlt wird, überdeckt alle diese Bereiche ohne eine Lücke vom Infraroten bis in den harten Röntgenbereich! Insbesondere im Röntgenbereich ist die Synchrotronstrahlung die mit großem Abstand intensivste „Lichtquelle“.
Diese Eigenschaft zusammen mit einer Bündelung ähnlich dem Licht aus einem „Laserzeiger“ und der energetischen Durchstimmbarkeit machen die Synchrotronstrahlung zu einer herausragenden Quelle zur Verbesserung bekannter Röntgentechniken aber auch zur Entwicklung „neuer“ Techniken. Bei den bekannteren Techniken (z.B. der Röntgenfluoreszenz) gibt es signifikante Verbesserungen hinsichtlich z.B. der Ortsauflösung (Mikrometer- und auch Nanometerbereich) und der Nachweisgrenzen („parts-per-billion“). Zu den „neuen“ Techniken gehört u.a. die Röntgenabsorptionsspektroskopie und die elementspezifische Röntgentomographie. Bei der Röntgenabsorptionsspektroskopie wird der Photoabsorptionsquerschnitt als Funktion der Energie in der Nähe der Absorptionsenergie für ein Innerschalenelektron eines spezifischen Elements gemessen. Diese Spektren beinhalten detaillierte chemische und strukturelle Informationen der gewählten atomaren Spezies z.B. über die „formale Wertigkeit“ der gewählten Atomspezies aber auch über die Art, Anzahl und die Abstände der Nachbaratome.
Alle hier angesprochenen Techniken lassen sich auf unterschiedlichste Proben (Metalle, Keramiken, Gläser, Baustoffe, Gemälde, Textilien…) anwenden. Sie verlangen in der Regel keine spezielle Präparation der Proben, sie sind nicht zerstörend und lassen sich, wenn die entsprechenden Proben nicht in ein entsprechendes Synchrotronstrahlungs-Labor gebracht werden können, mit wenigen hundert Milligramm der Probensubstanz durchführen. Die über die Röntgenfluoreszenz bestimmte Elementzusammensetzung der Proben liefert i.a. Informationen über die geographische Herkunft der Proben bzw. über die der Ausgangsmaterialien. Die aus den Röntgenabsorptionsspektren abgeleiteten chemisch/mineralogisch/strukturellen Informationen geben oft Hinweise auf die bei der Herstellung der Objekte verwendeten Techniken und sehr oft auch über sinnvolle Reinigungs-, Restaurierungs- und Konservierungsmöglichkeiten. Mit diesen Techniken sind bis heute Objekte aus unterschiedlichen Kulturepochen von der Steinzeit über das Mittelalter bis zu modernen Kunstobjekten untersucht worden.
Besonders gewünscht sind für diese Sektion Beiträge, die über die Anwendung einer synchrotronstrahlungs-basierten oder vergleichbarer spezifischer licht-basierter Techniken auf Objekte aus dem Mittelalter berichtet!